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Gesund & Fit

Brigitte.de
7. August 2008

SCHÖNHEITS-OPs IM INTIMBEREICH – EIN TABU-THEMA WIRD TREND. WAS STECKT DAHINTER?
„Katja, warum hast du dir die Schamlippen machen lassen?“ – „Ich will als Frau nackt die Beine auseinander nehmen können, ohne dass mein Gegenüber denkt: ‚Igitt, was ist das denn?‘ „

Katja ist 34 Jahre alt und heißt eigentlich ganz anders, aber wer ihren Namen bei Google eingibt, soll nicht auf die Wörter „Schamlippenverkleinerung“ oder „Labienkorrektur“ stoßen, sagt sie. Schließlich finden es zwar viele Frauen heute ganz normal, wenn andere sich die Falten wegspritzen lassen oder die Brüste vergrößern. Aber die intimste Stelle des weiblichen Körpers dem Messer eines Chirurgen ausliefern? Zumal diese Stelle ohnehin fast nie jemand sieht? Dafür haben viele kein Verständnis.

„Der Wunsch nach einer Labienverkleinerung kann bei sehr großen Schamlippen nachvollziehbar sein. Die Lebensqualität leidet, etwa durch Scheuern an der Unterhose, Probleme beim Wasserlassen und beim Verkehr“, sagt der Gynäkologe Peter Schmidt-Rhode, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft für ästhetische, plastische und wiederherstellende Operationsverfahren in der Gynäkologie.

Häufiger als solche körperlichen Probleme sei aber Ästhetik der Grund für die OP. „Die Gesellschaft ist genitalbewusster geworden“, sagt Schmidt-Rhode. „Vor allem junge Frauen, unter 35, haben heute höhere ästhetische Ansprüche als früher.“ 80 Prozent der Frauen dieser Altersgruppe, schätzt er, seien untenrum komplett rasiert. Da fallen Unregelmäßigkeiten beim Blick in den Spiegel mehr auf, etwa wenn die inneren Schamlippen dunkel und runzlig zwischen den äußeren herausragen. Die Frauen genieren sich nackt, auch vor dem Partner. Sex? Nur im Dunkeln. „Beim Sport oder in der Sauna, immer das Gefühl, dass jeder draufguckt. Da baut sich ein ziemlicher Leidensdruck auf“, sagt auch Katja, die sich früher an ihren großen Schamlippen störte.

In einer Zeitschrift las sie von der Operation, aber als sie ihrem Freund davon erzählte, sagte der nur: „So ein Käse, das brauchst du nicht machen, ich mag dich auch so.“ Sie ließ sich trotzdem einen OP-Termin geben, ohne ihm davon zu erzählen, bei Stefan Gress in München. Der Facharzt für Plastische und Ästhetische Chirurgie, Spezialgebiet: weibliche Intimchirurgie, gilt als Labien-Papst Deutschlands. „Ich habe inzwischen weit über tausend Patientinnen in der Genitalregion behandelt“, sagt er. „In 60 Prozent der Fälle sind zu große innere Labien der Grund dafür, dass eine Frau mich aufsucht.“

Was der Chirurg sonst noch tut: die äußeren Schamlippen mit Körperfett aufpolstern, den G-Punkt mit Hyaluronsäure vergrößern, Fett absaugen am Venushügel. Und die Königsdisziplin: Vaginalverengung, möglich durch Unterspritzung mit Eigenfett oder Gewebestraffung. Optional gibt’s auch noch eine Beckenbodenstraffung dazu. Dann kann die Sache aber teuer werden: mindestens 6600 Euro müssen Gress‘ Kundinnen für eine derart verjüngte Vagina berappen. Das Ergebnis: mädchenhaft eng und straff.

So absonderlich man solche Eingriffe finden mag, medizinisch ist zumindest die Schamlippen-Verkleinerung unkompliziert für einen routinierten Chirurgen. Unter lokaler Betäubung, auf Wunsch auch im Dämmerschlaf oder unter Vollnarkose, wird der überschüssige Teil der Schamlippen mit Radiowellen oder Laser entfernt. Eine bis eineinhalb Stunden dauert das, am Abend darf die Patientin wieder nach Hause. Wer auch das Gewebe rund um die Klitoris gestutzt haben will, liegt bis zu 2,5 Stunden auf dem OP-Tisch.

Ausgerechnet die Klitoris. Dieser kleine Zipfel Haut, in dem mehr Nerven verlaufen als in jedem anderen Teil des Körpers. Bei der Klitoris denken wir an Lust, an Ekstase. Aber ganz sicher nicht an ein Laserskalpell. Was, wenn etwas schief geht? Dass jemand ohne Not dort herumschneidet, dieser Gedanke war Katja anfangs „etwas unheimlich“, gibt sie zu. Doch Stefan Gress erklärte ihr, dass es für ein ästhetisch perfektes Ergebnis nötig sei. „Die kleinen Schamlippen umschließen die Klitoris und setzen sich nach oben zwischen den großen Schamlippen fort“, so Gress. „Häufig gibt es auch hier einen Hautüberschuss, den wir mit beseitigen.“

Ein bisschen mulmig war Katja also doch vor ihrer Operation. „Aber es war nicht schlimmer, als wenn man beim Zahnarzt was machen lässt: unangenehm, aber nicht wirklich schmerzhaft“, sagt sie hinterher. Danach der OP ist Ruhe angesagt: kühlen und möglichst liegen; für die erste Nacht gibt’s Schmerztabletten. Die Schamlippen schwellen an, es brennt und ziept, leichte Blutergüsse können sich bilden.

„Das erste Mal angucken war schon fies“, erzählt Katja, „alles war grün und blau vom Bluterguss, die Fäden waren zu sehen, es war blutverkrustet. Aber zwei, drei Tage später sah es schon viel besser aus.“ Bis die Schwellung komplett zurückgeht, vergehen einige Wochen. So lange sind Reiten, Radfahren, Joggen und auch Sex tabu.

Heute ist Katja „zufrieden und glücklich“ mit dem Ergebnis der Operation, sagt sie. Andere Frauen haben bei anderen Ärzten weniger gute Erfahrungen gemacht. „Die OP war der Horror!“, schreibt Userin kelly123 in der BRIGITTE.de-Community. „Er hat örtlich betäubt und sofort losgeschnitten. Ich hatte fürchterliche Schmerzen.“ Nach der OP haderte sie mit ihrem selbst gewählten Schicksal. „Ich könnte heulen, ich fühle mich entstellt“, schreibt sie. „Der Arzt hat fast auf der einen Seite die ganze Schamlippe weggeschnitten und auf der anderen Seite sieht es aus, als hätte ich selbst dran rumgeschnitten.“

Ein ästhetisch unbefriedigendes Ergebnis bezeichnet auch Chirurg Gress als die größte Gefahr: „Es entscheiden oft Millimeter zwischen gut und nicht gut. Viele Ärzte schneiden die Labien lustlos ab, schnippschnipp, eine halbe Stunde Arbeit. Und so schaut’s dann aus!“ Gress veranschlagt eine Stunde pro Labien-OP, mindestens zwei, wenn er auch die Haut um die Klitoris herum stutzen soll. Das hat seinen Preis: 1300 bis 2900 Euro kostet eine Operation bei ihm. kelly123 zahlte bei ihrem Gynäkologen nur 200 Euro – und überlegte danach, sich nochmals operieren zu lassen: „So wie es jetzt ist, sieht es furchtbar aus.“

Wie wappnet man sich gegen solch üble Überraschungen? Gynäkologe Schmidt-Rhode rät Frauen, sich umfassend zu informieren, wie viel Routine ein Arzt mit der Operation hat, und sich in Internetforen mit anderen Frauen auszutauschen. Ob Gynäkologe oder Schönheitschirurg, spiele letztlich keine Rolle.

Doch auch bei erfahrenen Ärzten kann etwas schief gehen. Wie bei jeder Operation kann es zu Komplikationen kommen, zu Nachblutungen, Narben, Schmerzen oder schlecht heilenden Wunden. Angst um die eigene Lust müsse aber keine haben, versichern die Ärzte: Die Nerven der Klitoris seien nicht betroffen.

Schon allein deshalb sei es Unsinn, Intim-OPs mit Genitalverstümmelungen in Afrika zu vergleichen, meint Schmidt-Rhode: „Das ist eine ganz andere Dimension der Chirurgie, die tief in die Menschenwürde eingreift und das Lustempfinden der Frau zerstört.“ Das Ziel von Intim-OPs hingegen sei nicht das Verstümmeln, sondern das Verbessern der weiblichen Lust. Katja zumindest mag ihren Körper nun „irre gerne“. Aber am Ende geht es doch wieder um die alte Frage, die jede selbst beantworten muss: Macht eine Schönheits-OP wirklich glücklicher?

Text: Angelika Unger