Die Intimchirurgie läuft noch immer undercover
Artikel zum Thema ästhetische Chirurgie
(erschienen im August 2024 im Focus Magazin)
Einer „sehr fordernden Patientengruppe“ sieht sich auch Stefan Gress häufig gegenüber. Ein Patient wollte aussehen wie Brad Pitt, ein anderer kam im Spiderman Kostüm in die Praxis. Gress schickte beide weg. „Bin ich Jesus?“, entgegnete er jenen, die meinen, ihr Körper sei ein „Stück Lehm“, aus dem sich alles formen ließe.
Der Münchner Facharzt für Plastische Chirurgie hat sich auf den neuen, boomenden Bereich der Intimchirurgie spezialisiert. Wer mit ihm spricht, erfährt schon bald, dass ihm dies- neben seinen ehrenamtlichen Einsätzen für vom Krieg versehrte und entstellte ukrainische Soldaten- tatsächlich ein Herzensanliegen ist. „Man kann“, sagt Gress, „das nur machen, wenn man Frauen liebt.“
Ihn stört, dass der Intimchirurgie, zu der neben der Schamlippenverkleinerung auch die Vaginalstraffung zählt, nach wie vor der Hautgout des Sexismus anhaftet. Als ginge es darum, Männer zu beglücken.“ Die Frauen machen das fast ausschließlich für sich“, betont der Arzt. „Damit sie wieder Spaß am Sex haben, leichter oder überhaupt zum Orgasmus kommen.“
Trotzdem sei die „Genitalsache immer noch undercover“. Viele Frauen kommen über das Internet zu ihm. Etliche auch zur Korrektur einer, wie Gress es nennt, „verpfuschten“ Schamlippenverkleinerung. Derer gibt es viele, ein Viertel seiner intimchirurgischen Eingriffe sind Zweitoperationen von Ergebnissen, die Gress manchmal erschüttern. „Verstümmelungen, ausgefranste Wundränder, Löcher in den Schamlippen“, er hat alles schon auf dem Tisch gehabt. „Das größte Risiko ist ein Arzt, der es nicht kann“, sagt Gress, der ein Lehrbuch zur Intimchirurgie publiziert hat. „So etwas muss mit Hingabe und Sorgfalt operiert werden“, betont er. „Bei mir dauert so eine OP zwei Stunden, 150 feine Stiche, erst dann wird es schön“.