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Beauty-OP

VOGUE #1
Sonderheft 10/2007

Unter Uns

Intimchirurgie lindert Schmerzen, bringt verlorene Form und manchmal auch die Lust zurück.

Egal ob eine neue Nase, größere Brüste oder gestraffte Lider – operative an Gesicht und Körper sind akzeptiert, Gespräche über gängige Techniken, Genesungszeiten und die besten Schönheitsexperten gang und gäbe. Nahezu unbekannt ist hingegen ein eher verschwiegen gehandhabter Zweig der rekonstruktiven Medizin – die so genannte Intimchirurgie. „Dabei geht es in erster Linie darum, physische Beschwerden zu lindern und ästhetische Disharmonien im weiblichen Genitalbereich zu korrigieren, die die Lebensqualität der Betroffenen massiv beeinträchtigen“…

Dass Gynäkologen und plastische Chirurgen sich zunehmend der Intimchirurgie zuwenden, liege an der enormen Nachfrage der Patientinnen. Zum einen seien Frauen heute körperbewusster als früher, sagt der Experte, zum anderen habe die Sichtbarkeit des Genitals allgemein zugenommen und damit auch der ästhetische Anspruch. Durch die schrittweise Enthaarung bis hin zum Brazilian Waxing, bei dem kein einziges Haar das Heißwachs übersteht, werden selbst Frauen, die ihre Schamkrause nur mit dem Rasierer dezent trimmen, spätestens in der öffentlichen Sauna mit nackten Tatsachen konfrontiert. Im Idealfall spiegelt die Form des weiblichen Genitals das Bild einer Muschel wider. Straff und voll ausgeprägt hüllen die äußeren Schamlippen, die Labien, die inneren ein. Die Korrektur von Abweichungen erfolgt dabei selten aus rein ästhetischen, sondern fast immer aus medizinischen Gründen. Die am häufigsten vorgenommene Operation ist die innere Labienreduktion. Insbesondere Frauen zwischen 20 und 30 Jahren wenden sich deshalb an die Spezialisten.

Überall Nackte – das schafft Neid

… In manchen Fällen ragen die inneren Schamlippen bis zu fünf Zentimeter aus den äußeren heraus und führen zu körperlichen wie seelischen Beeinträchtigungen. Die Betroffenen müssen auf Sportarten wie Reiten und Fahrradfahren verzichten, und selbst der Geschlechtsverkehr kann äußerst schmerzhaft sein, sofern es überhaupt dazu kommt. „Auch Frauen in den Wechseljahren bemerken störende Veränderungen“, erklärt Dr. Stefan Gress. Der renommierte Chefarzt und Besitzer von Sensualmedics Munich Medical Center hat sich vor 15 Jahren auf intimchirurgische Eingriffe spezialisiert und führt pro Monat rund zwanzig OP`s durch. Infolge der physiologischen Alterung und des sinkenden Östrogenspiegels werde das Gewebe, ähnlich wie die Haut im Gesicht, dünner – die Elastizität nimmt ab, und die Form des Genitals verliert an Struktur. Um die inneren Labien zu kürzen, vermisst der Chirurg exakt, wie viel Haut und Gewebe entfernt werden muss, um ein möglichst symmetrische Ergebnis zu erzielen. Die Schnittführung ist insofern kompliziert, als die flügelartige Form erhalten werden soll. Das erfordert viel praktische Erfahrung, die Eingriffe sollten deshalb nur von ausgewiesenen Spezialisten vorgenommen werden. Die OP dauert zwei Stunden und erfolgt unter lokaler Betäubung. Der Chirurg verwendet dabei eine Art Laserskalpell, das nur geringe Blutungen zulässt und somit den Heilungsprozess beschleunigt. Anschließend werden die Schnittränder mit feinen, resorbierbaren Fäden verschlossen, die sich nach einigen Wochen auflösen. „70 Prozent der Schwellung verschwindet nach drei bis vier Wochen, der Rest klingt in den folgenden Monaten ab“, sagt Dr. Stefan Gress.

Nimmt das Lustempfinden nach einer OP wirklich wieder zu? Nun, es gibt Frauen, die sind begeistert

Auch die äußeren Labien sind dem Alterungsprozess unterworfen, nachlassendes Bindegewebe und die Schwerkraft fordern ihren Tribut. Die Struktur lässt nach, und die Haut hängt. Selbst wenn in solchen Fällen kein funktionales Problem zugrunde liegt, kann es das Sexualleben der Betroffenen beeinträchtigen. Die Lösung ist eine einfach Unterspritzung mit körpereigenem Fett. Dieses wird der Patientin zuvor aus der Innenseite der Knie, dem Bauch oder dem P entnommen und speziell aufbereitet. Über einen winzigen Hautschnitt am äußeren Labienansatz werden die präparierten Fettzellen behutsam injiziert. Nach dem Eingriff, der unter örtlicher Betäubung erfolgt, wird der Intimbereich verbunden und gekühlt. Anfängliche Schwellungen und Blutergüsse sind normal. Auf Reiten, Radfahren, Joggen und Geschlechtsverkehr müssen die Patientinnen allerdings, wie bei der inneren Labienreduktion, rund vier Wochen verzichten.

Zu den ästhetischen Operationen zählt auch die Modellierung des Schamhügels. „Frauen, die eine starke Gewichtsreduktion hinter sich haben, stellen häufig fest, dass die Fettschürze im Genitalbereich besonders resistent gegen ihre Bemühungen ist“ …


… Tatsächlich schrumpfen die Lipidzellen dort ebenso langsam wie den unbeliebten „Reiterhosen“. In diesem Fall empfiehlt sich eine Liposuktion: „Die meisten Frauen wissen nicht, dass es diese einfache chirurgische Lösung für ihr Leiden gibt“.

… Viele seiner Patientinnen seien nach der Operation sehr erstaunt darüber, wieder Hosen tragen zu können, ohne dass sich der Unterbauch störend durch den Stoff drückt. Häufig wird der Eingriff mit einer Bauchdeckenstraffung kombiniert. Mit leichten Blutergüssen und Schwellungen muss man auch hier rechnen. Zudem wird für vier bis sechs Wochen ein spezielles Miederhöschen empfohlen. Die Kosten für diese drei verschiedenen Operationen betragen jeweils rund 1.500 Euro.

Weitgehend unbekannt ist, dass die Intimchirurgie nicht nur äußere Disharmonien beheben, sondern selbst bei „inneren Unzulänglichkeiten“ helfen kann. „Ebenso wie die Körperhaut wird auch das Gewebe des Vaginalkanals mit zunehmendem Alter dünner“, sagt Der Stefan Gress. Neben Hormonschwankungen, die die Schleimhaut strapazieren, habe das Trauma der Geburt den größten Impact auf diese Region – kleine narbige Risse seien die Folge, vergleichbar mit den Schwangerschaftsstreifen der Körperhaut. Um die Vagina zu verengen, gibt es zwei Möglichkeiten: „Der Scheidenkanal kann mittels Lipostrukturtechnik verengt und mit körpereigenem Fett unterfüttert werden. Oder man entnimmt überschüssiges Gewebe und strafft die umgebende Muskulatur“, erklärt der Experte. Der Grundgedanke ist beide Male derselbe und basiert auf dem einfachen mechanischen Prinzip: je enger der Kanal, desto mehr Reibung: je mehr Reibung desto größer ist die Lust. Da das unterspritzte Fett in einem Jahr bis zu 30 Prozent wieder abgebaut wird, garantiert das erste Verfahren nur einen vorübergehenden Effekt. Wissenschaftliche Studien ob die OP das Lustempfinden tatsächlich steigert, gibt es noch nicht. Viele Frauen, so Gress, seien von dem Ergebnis jedoch begeistert. Die Kosten belaufen sich auch rund 4000 Euro.

Umstrittener ist die Unterspritzung des so genannten G-Punkts. Dieser Begriff bezeichnet eine münzgroße Stelle, die vier bis fünf Zentimeter vom Harnröhrenausgang entfernt an der Vorderseite der Vagina liegt und durch die gefältete Oberfläche als rauerer Bereich ertastbar ist. Wie sensibel der Punkt auf mechanische Stimuli reagiert, ist von Frau zu Frau verschieden. Es gilt wieder das Prinzip: mehr Volumen, mehr Lust. Plastische Chirurgen intensivieren den Punkt, indem sie das Areal mit Eigenfett der Patientin oder mit Hyaluronsäure unterspritzen und auf das Doppelte seiner Größe aufwölben. Die Hyaluronsäure wird vom Körper nach sechs Monaten wieder abgebaut, das Eigenfett hält sich länger. Rund 1000 Euro kostet dieser Eingriff.

Einen viel älteren, kulturgeschichtlichen Hintergrund hat die Hymenplastik, die Rekonstruktion des Jungfernhäutchens. „Diese OP wird in Deutschland bereits so lange durchgeführt, wie moslemische Frauen bei uns wohnen“ …

… Vor allem in arabischen Ländern ist die dünne Membran, die die Öffnung zur Vagina überdeckt und die Unberührtheit einer Frau symbolisiert, von großer traditioneller Bedeutung und muss bis zur Hochzeitsnacht bestehen. Doch nicht nur durch den Geschlechtsakt, auch durch mechanische Belastungen wie beim Reiten kann das Hymen zerstört werden. Der Wiederaufbau erfolgt mit eigenem Gewebe. Etwa 2800 Euro berechnen Chirurgen dafür.
Dass diese kleinen Eingriffe die Lebensqualität der Patientinnen entscheiden verbessern können, darin sind sich alle Chirurgen einig. Großen Wert leben sie aber auch darauf, zu betonen, was nicht ihre Absicht ist: „Intimchirurgie will keine Designer-Vaginen kreieren.“