Neue alte Nase
VOGUE #2
April 2007
Besser zum HNO-Arzt oder zum Chirurgen?
Sie hatte ein schnelles Auge. Im Viertelstundentakt kommen Kundinnen in den Designer-Secondhand-Shop in Münchens Szeneviertel Haidhausen und bieten Kleidung an, die sie nicht mehr anziehen.
Barbara Dockhorns Urteil fällt, sobald sie Alter, Zustand, Wiederverkaufschancen taxiert hat. Zügige Entscheidungen gehören quasi zum Naturell der grazilen Ladeninhaberin. Aber mit ihrer Nasenoperation zögerte sie monatelang. Dabei sollte ihre Nase einfach nur wieder so werden, wie sie immer gewesen war, vor dem Fahrradunfall im Sommer 2006. Auf einem Hochweg am Isarufer war sie beim Bremsen in Schlingern geraten, überschlug sich mehrmals- und landete auf dem Gesicht. Die Ärzte im Krankenhaus interessierten sich nur für den Kopf, der zum Glück unverletzt war. In den Wochen danach merkte sie , dass etwas an der Nase merkwürdig war: “ Sie fühlte sich komisch an, ich musste dauernd hinfassen.“ Sie ging zu einem HNO-Arzt, der riet: Besser operieren, sonst schnarchen Sie eines Tages“ Ihr wurde en auf Nasen OPs spezialisierter HNO-Arzt genannt. Seine Diagnose: Trümmerbruch, verbogene Nasenscheidewand – Operation unausweichlich. Doch gerade die medizinische Notwendigkeit ließ Barbara Dockhorn zögern. Luft bekam ich ja. Mir war der ästhetische Aspekt wichtig. Die Nase ist so zentral fürs Gesicht. Ich hatte Sorge, dass sich mein gesamtes Aussehen verändert. Meine Sorge war: Wird das meine Nase von vorher? Eine Bekannte hatte sich ihre dreimal wieder brechen lassen, bis sie so war wie sie es sich vorgestellt hatte. Also weiter Ärzte suchen. Im Internet las sie Erfahrungsberichte. So etwas wie die sprichwörtliche Mang-Nase, so viel stand fest, wollte sie auf keinen Fall.
Überhaupt wäre sie nie auf die Idee verfallen, zu einem Schönheitschirurgen zu gehen – die Nase sollte ja nicht schöner werden, sondern wiederhergestellt. Der entscheidenden Tipp kam schließlich von ihrem Steuerberater ( “ Ich habe einfach alle gefragt, ob sie einen Nasenspezialisten kennen“) – der erwähnte einen Mandanten, der auch Nasen korrigiere. Ein plastische Chirurg mit Facharztausbildung, Mitglied in mehreren internationalen „Aesthetic Surgery“- Gesellschaften. Also ein weiterer Versuch: Termin in einer großzügigen Innenstadtpraxis in Münchens Edelshoppingquatier „Fünf Höfe“ Hier traf die 48-jährige auf einen Menschen, der ebenfalls schnell zu urteilen vermochte und vor klarer Aussagen nicht zurückschreckte: „Das ist ja nur noch äußerlich eine Nase“, war sein erster Kommentar.
Barbara Dockhorn hatte sofort Vertrauen. „Als ich aus Neugier fragte, ob er auch ästhetisch an meiner Nase etwas verändern würde, antwortete Dr. Stefan Gress prompt: „Ja, schmaler und kürzer“ – aber ich sagte ihm, meine Nase sei nicht zu groß, sondern markant und eben meine.“ Vor der Operation bestellt der Chirurg sie mehrmals in die Praxis. “ Er gab mir viele Broschüren und klärte mich auch medizinisch sehr genau auf.“
Sechs Monate waren seit dem Fahrradunfall vergangen, als sie den OP-Termin schließlich für Januar 2007 festlegte. In der Praxis wurden vorher noch ein EKG und Tests zu Blutgerinnung gemacht. Als Barbara Dockhorn unter Vollnarkose liegt, setzt ihr Arzt den so genannten offenen Zugang. Die wird am Nasensteg (zwischen den Nasenlöchern) ein Schnitt platziert und Haut hochgezogen. so hat das Nasenskelett aus Knochen und Knorpeln vor sich. Vorteil: ein präziseres Ergebnis als beim traditionellen geschossenen Zugang. Prophylaktisch wurde Barbara Dockhorn Adrenalin gespritzt, das die Gefäße zusammenzieht, um den Blutverlust zu minimieren. Während der Operation ist die Nase fast weiß. Unter direkter Sicht wird nun modelliert: Die Nasenbeine sind mehrfach gebrochen und müssen begradigt werden. Die Nasenscheidewand ist verdreht, wird herausgenommen, begradigt an den gerissenen Stellen geflickt und wieder neu eingesetzt. Als Transplantate dienen intakte Teile der Nasenscheidewand. Drei Stunden dauert die Operation.
Man sieht schon verhauen aus danach“, gibt Barbara zu. Ein Verband um den Kopf, eine Kompresse unter der Nase fängt Sekrete auf. In den Nasenlöchern stecken zu Stabilisierung zwei lange Tamponaden. Eine Nacht verbringt sie im Krankenhaus, die nächsten Tage muss sie sich noch zu Hause schonen. Die Form ist nicht zu erkennen, sondern sie versteckt sich unter Gips die Backen sind dick, an den Augen zwischen die Blutergüsse seltsame Lidstriche. “ Ich habe Arnika-Globuli und Enzyme genommen gegen die Schwellungen. Ich bin immer für eine Nachbehandlung beim Heilpraktiker – um solche Details kümmern sich Ärzte ja nicht so sehr.“
Nach 2 Tagen werden die Tamponaden entfernt. “ Ich hatte das Gefühl, mir würden die Eingeweide raus gezogen.“ Nach 10 Tagen der große Augenblick: Der Gips kommt ab. “ Ich habe sofort hingefasst. Alles fühlte sich wieder glatt an. Wie vorher!“ Den Rest nimmt sie gar nicht mehr richtig wahr: Drei Wochen immerhin bleibt die Nase noch sehr geschwollen (die Letzten Schwellungen werden erst in den nächsten Monaten abklingen). Sport mit Körperkontakt ist acht Wochen untersagt, Kneipen wegen des Rauchs tabu, selbst beim Schmusen mit der Tochter soll sie vorsichtig sein. Beim Spazierengehen ist das Atmen in der winterlichen Kälte unangenehm. Aber das ist alles schnell vergessen.“ Ein Taubheitsgefühl an der Nasenspitze erinnert sie noch an die Operation, doch das wird in den nächsten Wochen abklingen. Von den Freunden hat kaum einer was bemerkt – Barbara Dockhorn sieht ja wieder aus wie immer. einzige Folge bislang: Mit der Krankenkasse steht sie noch in Verhandlungen wegen der Kostenübernahme. „Bei einem HNO-Arzt hätte es wohl keine Problem gegeben. Aber der Titel plastischer Chirurg macht Kassen offenbar misstrauisch, ob das nicht doch eine Schönheits-OP war.“ Wie steht sie überhaupt zum Thema Schönheitsoperationen? “ Wenn ich mal ein Hängekinn bekommen sollte, gehe ich wieder zu meinem Arzt. Mein Gesicht kennt er ja jetzt.