Zum Inhalt springen

Vaginal-OP das tut weh!

women
Juni 2005, S. 90/91

von Uta König

Das hat uns gerade noch gefehlt! Nach Brust, Nase, Bauch und Po haben Schönheitschirurgen ein neues Betätigungsfeld gefunden: die Vagina. Kaum zu glauben – auch hier versuchen Frauen neuerdings, per Skalpell ein absurdes Ideal zu erreichen.

Klein soll der perfekte Scheideneingang sein, die inneren Schamlippen diskret verborgen. Insgesamt sollte nicht mehr zu sehen sein als ein glattes, dezent rosa Grübchen zwischen den Schenkeln. Kindchenschema für den Unterleib also. Pervers, aber wahr: Die Vulva kleiner Mädchen entspricht diesem seltsamen neuen Schönheitsideal voll und ganz. Bei erwachsenen Frauen sieht das primäre Geschlechtsteil hin gegen meist anders aus. Auf der Internet-Seite www.the-clitoris.com gewinnt man einen guten Eindruck über die wunderbare Vielfalt der Natur: Die inneren Schamlippen sind größer als die äußeren, statt rosig oft bräunlich oder schwarz, statt dünn und glatt dick und faltig – und symmetrisch ist da selten etwas. Trotzdem würden die meisten Frauen nicht im Traum daran denken, ein Skalpell auch nur in die Nähe dieser hochsensiblen Körperpartie zu lassen. Sollte man meinen. Ist aber leider falsch: Während rund um den Globus Menschenrechtsorganisationen gegen die in vielen afrikanischen Ländern praktizierte Genitalverstümmelung kleiner Mädchen kämpfen, legen in den hochentwickelten Industriestaaten immer mehr Frauen ihre intimste Stelle unters Operationsmesser. Motto: Meine Scham soll schöner werden. Und demnächst lasse ich mir vielleicht noch den Nabel entfernen und die Ohren nach innen verlegen.

Frauen lassen sich die inneren Schamlippen kürzen und eine zu ausgeprägte Klitoris unter die Haut verlegen

In Rio de Janeiro, New York und Los Angeles haben plastische Chirurgen längst gut zu tun mit der Herstellung von Designer-Vaginen: In den Kliniken melden sich täglich Frauen an, die mit ihrem Geschlechtsorgan unzufrieden sind. Jetzt ist der unsägliche Trend auch bei uns angekommen. In Deutschland gilt Dr. med. Stefan Gress aus München als Pionier in Sachen Genitalverschönerung (siehe Interview). Tausend Frauen hat der plastische Chirurg nach eigenen Schätzungen operiert. „In der Hauptsache gestalte ich zwar immer noch Busen und Gesichter, aber im letzten Jahr ist die Zahl der Vaginen auf 10 bis 20 pro Monat gestiegen – sie machen inzwischen 30 bis 40 Prozent meiner Arbeit aus.“ Dieser Boom sei nichts anderes als die konsequente ästhetische Fortsetzung der aktuellen Kahlschlag-Mode. „Viele nehmen Unvollkommenheiten im Intimbereich erst wahr, wenn sie sich enthaaren. Dann fällt plötzlich jedes überschüssige Gewebe als störend auf.“

Auf der Suche nach einem besseren Selbstwertgefühl lassen sich Frauen die inneren Schamlippen kürzen, die äußeren aufpolstern, eine zu ausgeprägte Klitoris unter die Haut verlegen, eine nach Geburten nicht mehr ganz jungfräuliche Scheide verengen, einen zu üppig gewachsenen Schamhügel entfetten. Dass das Ganze höllisch und nachhaltig schmerzt – immerhin sorgen hier viele Nervenenden für ausgeprägte Empfindlichkeit – nehmen die Patientinnen offenbar gern in Kauf, ebenso die Tatsache, dass eine „weniger ausgeprägte“ Klitoris künftiger Lust zumindest nicht dienlich sein kann.

Die neue Vagina kommt mädchenhaft harmlos daher und ist weniger bedrohlich für den Mann

Der häufigste Wunsch, sagt Gress, sei das Verkleinern der inneren Schamlippen. Unter örtlicher Betäubung muss dafür die Haut mit einem Laserskalpell durchtrennt werden. Der Eingriff dauert etwa zwei Stunden und kostet 2000 Euro. Im Normalfall kann die Patientin etwa eine Stunde später wieder nach Hause gehen. Die Risiken, beteuert Gress, seien gering. „Die Narbe verheilt im Allgemeinen super. Nach vier Wochen kann die Patientin wieder Sex haben. Nach sechs Monaten sind die Spuren des Eingriffs nur noch mit der Lupe zu entdecken.“ Man muss diese optimistische Profi-Meinung nicht teilen. Professor Dr. Bernd Muck, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft für wiederherstellende Operationsverfahren in der Gynäkologie, sieht das Ganze skeptischer: „Jeder Schnitt erzeugt Narben und zerstört Nerven. Das kann Gefühlsverlust bedeuten.“ Die Hamburger Sexualtherapeutin und Diplompsychologin Angelina Borgaes schlägt sogar richtig Alarm: „Fakt ist, dass diese Frauen aus fragwürdigen Gründen freiwillig ihre körperliche Unversehrtheit aufgeben und leichtfertig die Risiken einer überflüssigen Operation eingehen, etwa Narkose, Nachblutungen, schlechte Narbenheilung oder Langzeitschmerzen.“ Die Risiken stünden in keinem Verhältnis zum Ergebnis. „Attraktivität und Ausstrahlung lassen sich nicht durch eine OP herstellen, sondern nur durch innere Zufriedenheit. Arbeit an sich selbst kann man nicht an den Schönheitschirurgen abgeben.“

Zumal die Runderneuerung der Vagina sehr viel weiter geht als jedes sonstige Lifting, Aufpolstern oder Fettabsaugen. Durch derlei Eingriffe wollen Frauen zwar auch jünger aussehen – aber doch nicht gleich wie Achtjährige! „Es fällt auf“, sagt Dr. Ada Borkenhagen, „dass die Designer-Vagina mädchenhaft-harmlos daherkommt. Der Eingriff bändigt die Sexualität und lenkt sie in ungefährliche Bahnen – zumindest ist die neue Vulva weniger bedrohlich für den Mann.“ Die Psychologin forscht an der Uni Leipzig über Schönheitsoperationen und ist besonders an den unbewussten Motiven der Frauen interessiert. „Mit dem Eingriff schenkt man seinem Genital eine ungeheure Aufmerksamkeit. Man nimmt mehrmals täglich Kamillebäder, cremt die Stelle ein – so als ob man sein Geschlechtsorgan heilen und es sich neu aneignen will.“ Der Lustaspekt mag bei der Entscheidung eine Rolle spielen – aber, und hier sind die Experten sich einig, mehr sexuelle Befriedigung lässt sich im Normalfall nicht herbeioperieren. Wer seine Vagina beschneiden lässt, leidet für den Schön heitswahn – und für den Boom der kosmetischen Chirurgie. Was für ein Irrsinn!

INTERVIEW:
Vulva nach Mass

woman: Dr. Gress, wie sind Sie zu Vaginal-OPs gekommen?
Dr. Stefan Gress: Als plastischer Chirurg bin ich früher mit Geschlechtsumwandlungen in Berührung gekommen. Das ist ein Teilgebiet der Fachrichtung. Da werden Vaginen vollkommen neu modelliert. Echte Vaginen habe ich dann später auf Weiterbildungsaufenthalten in Rio und New York gestalten gelernt.

Verhelfen Ihre OPs den Frauen denn nun zu mehr Lust?
Rein funktionell wirken diese Korrekturen nicht lustfördernd. Aber die Frauen haben nach der OP im Bett ein ganz anderes Selbstbewusstsein, weil sie sich endlich attraktiv finden.

Machen Sie eigentlich alles oder lehnen Sie auch mal einen Wunsch ab?
Ich würde keine Scheidenverengung durchführen. Da ist zu viel Muskel- und Nervengewebe mit im Spiel, und die Gefahr eines Gefühlsverlusts ist zu groß. Aus diesem Grunde würde ich auch keine Penisverlängerung durchführen.

Ihre typische Patientin …
… ist ästhetisch sehr bewusst, äußerst gepflegt, meist zwischen 30 und 40.

Haben Sie auch schon eine Frau ohne OP wieder nach Hause geschickt?
Ja, das passiert. Wenn sie zum Beispiel noch nicht volljährig ist. Oder wenn ich ihren Wunsch überhaupt nicht nachempfinden kann, weil alles perfekt ist.

Sind Männer, wenn es um das Geschlechtsteil ihrer Partnerin geht, nicht viel toleranter als die Frauen selbst?
Auf jeden Fall. Die meisten Männer sind da unkritisch und relativ leicht zufrieden zu stellen. Aber ich glaube, die Partner meiner Patientinnen freuen sich trotzdem über das gelungene OP-Resultat.